EU-Parlament beugt sich Unternehmensinteressen und stimmt gegen Netzneutralität

Soeben stimmte der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments über den Bericht zum Europäischen Binnenmarkt für elektronische Kommunikation ab. Einer vieler Bestandteile dieses Telekommunikationspakets sind die Bestimmungen zur Netzneutralität, über die in den vergangenen Wochen bereits vier andere Ausschüsse ihre Meinung abgaben. Der Industrieausschuss konnte diese Meinungen zwar berücksichtigen, doch liegt die Federführung bei ihm, weshalb seine Entscheidung maßgeblich für die letztliche Abstimmung im Plenum sein wird.

Nachdem sich zumindest drei der vier bisherigen Ausschüsse klar für die Wahrung der Netzneutralität ausgesprochen haben, kann das Ergebnis aus dem Industrieausschuss von den Bürgerinnen und Bürgern nur als bürgerfernes Signal verstanden werden. Es ignoriert nicht nur die Abstimmungen der anderen Ausschüsse, sondern vor allem auch die aufrichtigen Anstrengungen der Zivilgesellschaft.
—Martin Ehrenhauser, Spitzenkandidat von Europa Anders

In den letzten Wochen bemühten sich verschiedene Bürgerrechtsorganisation aus ganz Europa (z.B. über savetheinternet.eu), die Abgeordneten von der Wichtigkeit einer festgeschriebenen Netzneutralität zu überzeugen.

Leider scheinen bestimmte Fraktionen des Parlaments längst vergessen zu haben, dass sie nicht ausschließlich die Unternehmen vertreten, sondern die Bürger und Bürgerinnen der europäischen Gesellschaften. Nun sogar die Grundlage des Internets, seine bedingungslose Überparteilichkeit, für diese Interessen zu verkaufen, ist eine neue Dimension der Unternehmensfreundlichkeit einiger Abgeordneter.
—Martin Ehrenhauser

Der Industrieausschuss stimmte trotz zahlreicher anderslautender Änderungsvorschläge gegen eine universelle Festschreibung der Netzneutralität und lässt stattdessen Formulierungen bestehen, die Ausnahmeregelungen leicht gewähren. Auch der Vorschlag, die Telekommunikationsanbieter zur Netzneutralität zu verpflichten, fand ebenso wenig eine Mehrheit, wie der Antrag, die Definition von sogenannten „specialized services“ so eng wie möglich zu halten. Mit „specialized services“ sind Dienste gemeint, die durch eine bestimmte Übereinkunft mit dem jeweiligen Telekommunikationsunternehmen, eine Gewährleistung ihrer Dienste haben, so z.B. facebook oder skype. Ein besonderes Problem entsteht hier für jene Dienste, die sich solche „Übereinkünfte“ mit den Internetprovidern nicht leisten können, was die überwältigende Mehrheit der Internetangebote betrifft. Und auch im letzten entscheidenden Punkt der Verordnung konnte sich keine Mehrheit für eine klare Absage an die Diskriminierung bestimmter Dienste finden.

Was wir bisher bereits in einigen wenigen Fällen erlebt haben, wird nun auch von ganz oben abgesegnet: Wir entheben das Internet seiner Natur und ersetzen es durch ein Mehr-Klassen-Netz, das sich am Geldbörserl der User und Userinnen orientiert. Das ist nicht nur ein Tiefschlag für die Demokratie, sondern auch eine Absage an die freiheitsstiftende Rolle, die das Internet unseren Gesellschaft eigentlich bringen kann.
—Martin Ehrenhauser

Die Abstimmung im Straßburger Plenum findet am 3. April statt.

Kommentare geschlossen.